Einführung


Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein neues Buch auf den Büchertisch geworfen wird. Politiker, VIPs aller Provenienzen und Stars fühlen sich berufen, der staunenden Leserschaft ihre Einsichten zu vermitteln. Darunter sind viele Werke, die wohl die Welt nicht unbedingt braucht. Gleichwohl ist der Arbeitsaufwand nicht gering zu schätzen, der nötig ist, um ein Buch mit Inhalt auszustatten. Das weiß man, wenn man sich die Aufgabe selbst gestellt hat.

Deshalb liebe und achte ich Bücher und sammele sie. Die meisten davon habe ich auch gelesen. Wer sich sein Buch jedoch von Ghostwritern schreiben lässt, verdient nicht einmal diese Anerkennung. Was die Welt braucht, ist natürlich nie wirklich voraus zu sehen. Das zeigt sich meistens hinterher. Ob die Gefühle, die sich bei den jährlich nahezu 400.000 an Krebs neu erkrankten Mitmenschen nach Mitteilung der Diagnose einstellen, so wichtig für die Welt sind, dass man sie einmal näher beleuchtet, ist die große Frage.

Darum habe ich mich letztlich aber nicht gekümmert, als ich den Entschluss fasste, meine Erlebnisse im Kampf mit und gegen drei verschiedene Krebserkrankungen niederzuschreiben. Ich war mir darüber im Klaren, dass ich das schon deshalb tun muss, um meine eigenen Gedanken und Gefühle zu ordnen, Antworten auf die Fragen nach dem Warum und dem Wie weiter zu suchen und möglicherweise in mir gewachsene Einsichten und Erkenntnisse zu dokumentieren.

Außerdem ist dieses Schreiben, das an manchen Tagen einfach nicht gelingen will, ein Weg, mir immer wieder selbst Mut zu machen, um die ständig neuen Erkrankungen und Beschwerden besser ertragen zu können. Außerdem verstehe ich bestimmte Dinge in der Rückschau viel besser. Jetzt hat sich durch den zeitlichen Abstand und der Erfahrung mit den Spätfolgen der Blick geklärt. Ich kann in gewisser Weise einen externen Standort einnehmen und mich beobachten. Dies war mir während der akuten Phase der Krankheit und auch noch über die gesamte Behandlungsdauer hinweg unmöglich. Da hatte ich große Schwierigkeiten, die Dimension dessen, was mit mir geschah, überhaupt zu erfassen.

Daneben habe ich festgestellt, dass es Leidensgenossen gibt, die leise oder gar lautlos versuchen, mit ihrem Schicksal fertig zu werden, die sich nicht öffnen, über sich und ihre Gefühle nicht reden können, einfach verstummen. Aber zumeist hören sie gerne zu, wenn ihnen jemand, der sich in der gleichen beschissenen Lage befindet, oder der gar einer der Glücklichen, eben ein Überlebender ist, ein noch mal Davongekommener, erzählt, was er erlebt und erlitten hat, dass es sich doch lohnt, sich gegen das Schicksal aufzulehnen und zu kämpfen, statt zu verzweifeln und zu verzagen.

Sie wollen wissen, wie die Familie, die Freunde, der Arbeitgeber auf die Hiobsbotschaft reagiert haben, wie man mit Scham, Angst und Wut umgeht, welche Rechte man als Patient hat. Manche, die noch mitten in der Therapie stecken, wollen wissen, was sie als nächste Schritte zu erwarten haben. Ärzte und Pflegepersonal halten sich hier oft bedeckt. Ich bin mir nicht sicher, ob die Zurückhaltung bei der Offenlegung der Therapieschritte richtig ist, oder ob es besser wäre, den gesamten Leidensweg im Detail zu beschreiben. Ich habe mich von Anfang an bereit erklärt, jedem, der Fragen hat, zur Verfügung zu stehen. Es haben sich viele gemeldet. Ich hatte das Gefühl, dass sie froh waren, Antworten auf ihre Fragen zu bekommen oder eben zu spüren, dass sie wahrlich nicht allein sind mit ihren Sorgen und Nöten. Und so, wie ich rede, so schreibe ich auch. Wer meine Geschichte liest, erfährt alles, was ich durchmachen musste und auf dem langen Weg von damals bis heute an Positivem wie Negativem erfahren habe.

Ich versuche auch zu zeigen, dass es nicht mit der völligen Remission, d.h. der vollständige Rückbildung des Tumors und somit mit dem Sieg über die Grunderkrankung getan ist.

Unauslöschliche Spuren